2021-10-20 GR-20.11

Elfte Etappe vom Refuge d’E Capanelle zum Refuge de Prati (17+900-750). Belaufbarkeit B1/+. Wasserquellen habe ich unterwegs keine gesehen; bis zum Col de Verde überquert man jedoch etliche Bächlein. Anfänglich lief nicht mehr alles rund, und zum Schluss wurde es dennoch einer der besten Tage auf meinem GR-20!

Die Nacht war erneut affenartig kalt gewesen, und ich fühlte mich gar nicht mehr gut im Schuss. Dazu kam, dass meine Essensvorräte langsam zur Neige gingen. Mit kratzendem Hals und steifen Gliedern hockte ich im ersten Licht auf einer Steinbank und fragte mich, wie das wohl weitergehen sollte. Direkt nach dem Loslaufen machte ich gleich bei der ersten Abzweigung einen Navigationsfehler, indem ich Richtung Bergeries de Traggette traversierte anstatt zum Grat Richtung Monte Renoso hochzusteigen, wie ursprünglich geplant.

Realisiert habe ich meinen Fehler erst, als der Weg entlang dem Ruisseau de Casso zur Strasse abbog. Zum zurücksteigen konnte ich mich nicht motivieren, und so folgte ich halt der originalen Wegführung des GR-20. Diese ist — man muss es sagen — recht langweilig. Über gut sechs Kilometer traversiert man durch bewaldete Hänge bis zur Bergerie de Ghjalcone, wo der Weg ins Tal des Ruisseau Guado Alla Macchia absteigt, auf der anderen Bachseite kurz weitertraversiert und danach auf einer üblen Schotterpiste zum Col de Verde absteigt. Wahrlich kein Prunkstück, diese Waldläuferei!

Mein Plan war gewesen, mittägliche Picknicker mit der Bitte um Nahrungsmittel zu überfallen, aber trotz längerem Warten zeigte sich kein einziges Auto entlang der Strasse. Das konnte ja heiter werden! Der Aufstieg auf der Ostseite des Passes verläuft zunächst weiter im Laubwald und ist von ähnlich mühseligem Charakter wie zuvor, jedoch steiler und auch etwas abwechslungsreicher. Plötzlich tritt man auf rund 1500 m.ü.M. aus dem Wald und in eine märchenhafte Senke mit lichtem Kiefernbestand und deutlich veränderter Vegetation. Das Gestein tritt wieder zutage und die Landschaft ändert sich schlagartig.

Der weitere Aufstieg zur Bocca d’Oru (1846) ist schnell geschafft, und ab dort folgte einer der allerschönsten Abschnitte auf dem ganzen GR-20. Die Hochebene U Prati erinnert mich ihren runden Granitbuckeln und dem grobkörnigen, granitischen Sandgrund an die Landschaften von Joshua Tree. Der Weg verläuft fast eben und ist mit einer weichen Humusschicht überzogen. An jenem Tag lag im Osten tief unten eine Wolkenschicht, sodass ich mich auf Wolke sieben wähnte. Und natürlich standen auch noch einige Rindviecher dekorativ herum. Es war phantastisch schön!

Das Refuge de Prati war sehr grosszügig und machte einen sauberen Eindruck; daneben sprudelte frisches Quellwasser aus einem Brunnen. Dort traf ich auf den liebenswertesten Menschen weit und breit. Er hatte sich entschieden, am folgenden Tag ins Tal abzusteigen, und bot mir seine überflüssigen Vorräte an. Ich hätte ihn umarmen können! Als angehender Mediziner konnte er mir auch ein Salbenpflaster perfekt am Rücken auf eine Druckstelle anbringen.

Nie hätte ich erwartet, dass sich dieser Tag noch zu einem (weiteren) Höhepunkt auf meinem GR-20 entwickeln würde!


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