2022-04-28 SBlu, Anreise

Endlich geht es los! In den vergangenen Monaten habe ich insgesamt wohl mehrere Tage fürs Planen und Vorbereiten aufgewendet, und ich bin gespannt, was es unterwegs noch an Problemen zu lösen gibt. Zum Auftakt hatten die SBB mit PPP (Pleiten, Pech und Pannen) zu kämpfen: Zwanzig Minuten Stillstand mitten im längsten Eisenbahntunnel der Welt hat an sich schon etwas Beunruhigendes, mit Ausfall von Strom und Beleuchtung wird es vollends gespenstisch. Die Durchsage, dass der Bordcomputer neu gestartet werden müsse, hilft auch nicht wirklich. Sicher Migrosoft-Zeug! — Der italienische Zug hingegen fuhr in Mailand auf die Minute pünktlich ab, und ich bin zuversichtlich, dass ich die Fähre in Genua noch erwische. Gerne würde ich bis dort etwas Musik hören, und habe zu diesem Zweck die leichtesten Kopfhörer eingepackt, mit Kabel. Dumm nur, dass moderne Handys wie mein neues gar keine entsprechende Buchse mehr haben.

Die Anreise mit der Fähre ab Genua ist wirklich komfortabel. Vom Hauptbahnhof geht es über die Via Andrea Doria in wenigen Minuten zum Hafen hinunter. Soweit zumindest die Imagination! Tatsächlich jedoch geht es danach noch dreimal so weit zwischen Eisenbahnlinie und Stadtumfahrung bis zum Hafeneingang. Immerhin ist damit der Beweis erbracht, dass sich mit einem guten Rucksack auch bei 20+ Kilogramm Gewicht beschleunigt laufen lässt. — An Bord duscht man dann umso lieber, kostet italienische Küche und Wein und legt sich ins Bettchen, um den Rest der Anreise schlafend hinter sich zu bringen. Um 8 Uhr trifft man ausgeruht in Porto Torres im Nordwesten der Insel an.

ÖV auf Sardinien

Zeitige Anreise ist auch nötig, denn die Weiterreise nach Santa Maria Navarrese dauert, je nach Verbindung zwischen sieben und neun Stunden, wie einem die Fahrplan-App Moovit* auf hartnäckiges Nachfragen hin verrät. Billete lösen geht damit jedoch nicht; dafür braucht es ein anderes App — oder genauer gesagt mehrere, denn man erwarte nicht, dass Eisenbahn- und Bustarife mit einander verbunden wären! Immerhin können Tickets für Züge und für die Busse der staatlichen Gesellschaft ARST mit der App DropTicket gekauft werden.
*) ¡Vorsicht: Die angezeigten Verbindungen haben einen beträchtlichen aleatorischen Anteil. Deshalb sei an dieser Stelle gesagt, dass es tatsächlich möglich ist, mit der Eisenbahn von Porto Torres via Sassari und Macomer nach Nuoro zu reisen. Die App zeigt einem oftmals nur die Busverbindungen.

Weil auch die Fähre mit einer halben Stunde Verpätung einläuft, jogge ich erneut vom einem zum anderen Ende des Hafengeländes, und stehe drei Minuten vor Abfahrt an der Bushaltestelle. Fährhäfen sind einfach gross! Der Bus fährt auf die Minute pünktlich und kurvt durch die Strässchen von Porto Torres nach Sassari. Die Haltestelle befindet sich in guter Sicherheitsdistanz zum Bahnhof. Da alle Mitreisenden zielstrebig zum nächsten Bus streben, frage ich mich, ob es ein Fehler ist, zur Eisenbahn zu wechseln. Ich hänge aber nun einmal einem romantischen Bild des Reisens an und schätze zudem sowohl den Komfort als auch das Landschaftserlebnis auf Zugreisen.

Der Bahnhof von Sassari gibt ein trauriges Bild vergangenen Glanzes ab. Fassade und Fensterläden ausgezehrt, das Café geschlossen und weitherum kein Zeichen von pulsierendem Leben. Dieser Ort hat mehr Aufmerksamkeit und Liebe verdient! Vielleicht verdient es jedoch die heutige Zeit einfach nicht besser, und die alte Dame wird bis zum letzten Zug (!) würdevoll ihre Pflicht erfüllen.

Wenn man den steilen Aufstieg in den Waggon erklommen hat, schaukelt einen das Züglein nach Macomer. Vis-à-vis befindet sich ein modernes Busterminal und vis-à-vis von jenem schliesslich der Bahnhof, wo das Züglein der ARST fährt. Nur ja nicht Dinge vermischen, die nicht zusammengehören! Diesem fundamentalen Prinzip wird im öffentlichen Verkehr konsequent nachgelebt. So auch in Nuoro, wo zwischen Bahnhof und Busterminal das Fussballstadion liegt, wo die Unione Sportiva Dilettantistica Nuorese Calcio 1930 (welch ein grandioser Name!) ihre Spiele austrägt. Erneut gilt es einen strammes Marschtempo auf den Asphalt zu legen, um den Anschluss zu erwischen.

Bis dahin war die Fahrt sehr beschaulich, denn ausser mir reiste an einem Freitagnachmittag fast niemand auf der lieblichen Bahnstrecke. Gegen Abend hin waren jedoch viele Schüler auf der Heimreise von ihrer Schulwoche, und entsprechend ging es fröhlich und laut zu und her. Man kann sagen, dass Teenager überall etwa ähnlich sind, und in der Tat ist auch dort das Handy die bevorzugte Kommunikationsplattform, dass aber eine Gruppe von Jugendlichen lauthals einen italienischen Schlager anstimmen, habe ich in der Schweiz noch nie erlebt. Nach Durgali sind sie dann alle ausgestiegen, und den Rest der Fahrt über betrachte ich ein wenig ehrfürchtig die spektakuläre Szenerie des Supramonte.


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