Lang wird dieser Tag werden, ganz besonders, weil ich mir zusätzlich noch den Ponción Söü (alias Poncione Rosso) vorgenommen habe. Um es gleich vorwegzunehmen: Dabei handelt es sich m.E. ziemlich um die Grenze dessen, was noch als Wild Trail durchgeht. Aber der Reihe nach!
Von der Capanna Alpe Cornavosa traversiert die Originalroute zur Alpe Fümegna hinüber. Ich jedoch steche direkt von der Hütte den Hang hinauf und peile die S-Flanke der Scíma do Precastéll an. Zu meiner Überraschung ist die plattige Wand sogar weiss-blau-weiss markiert und stellenweise versichert. Das ist auch nötig, denn sonst würde das nicht mehr als Berg-Weg durchgehen. Man traversiert leicht ansteigend zur W-Kante und steigt über diese dann einfach zum S-Grat hoch, dem man bis zum Gipfel folgt. Etliche Kraxelstellen lassen sich vergnüglich erklimmen oder auch umgehen.
Dem N-Grat entlang steigt man über über sanftes Gelände ab bis kurz vor — eigentlich über — die Forcarella di Lodrino. Dort geht es erst 30 Meter tiefer weiter, und auf den ersten Blick frage ich mich, ob sich der Sprung in die Tiefe vermeiden lasse. Etwas zaghaft taste ich mich in der E-Flanke entlang eines Pfad tiefer, der sich bald als versicherter Abstieg erweist. Das Gelände ist recht ausgesetzt und dabei wird man ganz sicher wach!
Glücklich in der Forcarella angekommen, steige ich dem Grat entlang weiter dem Ponción Söü zu. Auf ca. 2350 wird die Kletterei richtig ernsthaft. Durch die S-Flanke findet sich ein Weg, der durchaus als einfache Plattenkletterei mit einigen Seillängen durchgehen würde. Bloss kann man hier mangels Haken nicht sichern. An einer einzigen Stelle baumelt ein Drahtseil an einem Schlaghaken, um die Traverse etwas zu erleichtern.
Der Gipfel bildet einen sehr einsamen Höhepunkt. Ich glaube nicht, dass er oft besucht wird. Runterklettern ist immer schwieriger als hinauf, und deshalb habe ich immer noch etwas Marge gelassen. Das Abklettern ist anspruchsvoll, geht aber flüssig vonstatten. Zurück zur Forcarella, auf dem Wanderweg hinunter und dann zur Alpe Fümegna hinüber! Fast vier Stunden hat das kleine Abenteuer gedauert.
Der Aufstieg zur Bassa zählt zu den anspruchsvolleren Passagen. Die Kraxelei auf den plattigen Abschüssen hoch über Felsabstürzen ist recht anspruchsvoll und bei Nässe fast nicht passierbar. Die Kabel nimmt man dankend in die Hände. Nachher sind die technischen Schwierigkeiten fürs Erste vorbei, und man folgt dem Grat zur Cima Lunga, wo sich eine ausgesetzte Scharte einfacher überqueren lässt, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Danach umgeht man die Cima di Bri auf ihrer ostseitigen Terrasse, wo sich ein Schmelzwasserseelein befindet. Weiter dem Grat entlang zur Bocchetta di Rierna, vor welcher ein steiler und leicht ausgesetzter Abstieg zu bewältigen ist, weiter zur Cima di Rierna,
Die Cima del Rosse habe ich von Süden her erreicht, wo ein ausgesetzter Pfad mit einigen Kraxelstellen durch die Felswand führt. Ich meine mich jedoch zu erinnern, dass das eine Variante zur Originalroute war, welche dem Grat entlang führt. Der Weiterweg zur Cima di Gagnone ist dann sehr pittoresk und einfach zu begehen bis kurz vor der Bocchetta dello Scaiee. Dort sucht man über einige steile Platten den einfachsten Abstieg, was auch nicht schwierig ist.
Mit der Bocchetta dello Scaiee hat man fürs Erste den westlichsten Punkt der ersten beiden Etappen erreicht. Danach quert man mit wenig Höhenverlust durch die steile und felsige N-Wand der Cima di Gagnone. Im Frühsommer kann da vermutlich noch recht lange Schnee liegen. Zum Passo di Gagno hinunter überquert man eine Schneetälchenlandschaft und lässt sich auf dem Wanderweg zur Capanna d’Efra tragen. Dort treffen wir auf viele Leute, welche die Hütte renovieren oder fürs leibliche Wohl der Handwerker sorgen. Es wird ein sehr gemütlicher Abend mit grünem Salat, rotem Wein und frischem Gemüse. Theoretisch könnte man noch ein Bad im Lago d’Efra nehmen, aber 200 Höhenmeter hin und zurück bräuchten beträchtlich viel Überwindung.
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