2022-10-15 Sentiero del Centenario

Jahrhundertsweg zum Jubiläum der Sektion L’Aquila des CAI von 1974 über die Kette nördlich von “Piccolo Tibet”. Die Absicherung wurde über weite Strecken modernisiert, und die Gesamtüberschreitung stellt eine gleichsam anspruchsvolle wie attraktive Unternehmung dar, besonders wann von Campo Imperatore aus der Monte Aquila überschritten wird. Bis zum Parkplatz Fonte Vetica kommen so respektable (24+1900-2500) zusammen. Belaufbarkeit B1 bis zu den Torri di Casanova, ab dort B2 mit Stellen B3 und Klettersteigpartien, wo sich ein Klettersteigset durchaus lohnt. Nach (!) dem Abstieg vom Monte Prena wieder einfacheres Gelände.

Der Wecker klingelt mich noch vor Sonnenaufgang unsanft bis rüppelhaft aus tiefem Schlaf. Bis ich meinen Zmorgenkaffee zubereitet, das Müesli gemampft und auch noch die allerletzten Sachen gepackt habe, dämmert bereits der Morgen, als ich meinem gestrigen Abstieg entlang zum Sattel hochsteige. Wie wohl mein Chassis bereit sein würde? Es ist nichts Schlimmes zu spüren, und so will ich vorläufig einmal zum Monte Aquila weiterziehen.

Von Campo Imperatore könne man absteigen und direkt zum Pässlein Vado di Corno gelangen. Diese Variante wird häufig vom Parkplatz an der Strasse aus gemacht. Reizvoller finde ich es jedoch, am Fusse des Gran Sasso zu beginnen. Das macht zwar eineinhalbe Stunde zusätzlich aus, bietet jedoch die einmalige Gelegenheit, sozusagen direkt über die Laboratori Nazionali del Gran Sasso zu laufen. Dort pflücke ich ein paar Wacholderbeeren, dich ich zuhause zum Gin of the Universe verarbeiten will. Immerhin handelt es sich dabei um die grössten unterirdischen Versuchslabore der Welt zur Untersuchung von Elementarteilchen. In Gesellschaft eines grossen Rudels Gämsen (Mistviecher!) lege ich dort eine Pause ein und studiere in ehrfürchtiger Stimmung den vor mir liegenden Kamm. Die ersten beiden Aufschwünge sehen noch mild aus und führen auf grüne Hügel. Dahinter erhebt sich jedoch ein langer und zerklüfteter Grat.

In flottem Tempo überschreite ich den Monte Brancastello. Die Vegetation ist gerade so karg, dass der Gratweg sehr gut belaufbar ist. Vor den Torri di Casanova ändert sich der Charakter radikal. Eine steile Felswand versperrt den Weiterweg, und nur dank Leitern und Tritten lässt sich diese Passage bewältigen. “Äne wider abe!” lautet das Motto auf der Rückseite, und damit ist man wirklich im Sentiero del Centenaio angekommen. Er verläuft über recht wildes Terrain und ist nur bei guten Verhältnissen zu empfehlen. Und solche herrschen heute uneingeschränkt! Im nordseitigen Abstieg vom Monte Prena schaue ich, dass keine anderen Leute unmittelbar über mir sind, denn Steinschlag wäre dort ein Problem.

Danach könnte man absteigen, doch ich hänge noch den Aufstieg zum Monte Camica und weiter zum Monte Tremoggia an. War der Monte Prena gut besucht, ist der anschliessende Teil hingegen verlassen, obschon das grüne Gipfelplateau das Monte Tremoggia viel mehr zum Verweilen einladen würde. Mich zieht es jedoch nun endgültig ins Tal hinunter nach Fonte Vetica. Bei meinen Abklärungen wurde mir nicht klar, ob es dort eine Herberge gebe oder nicht. Auf dem Monte Prena erklärten mir Einheimische, dass dort ein grosser Grillplatz eingerichtet sei, wo man Grillgut und Getränke kaufen könne, um sich zu verköstigen. “Una gara” finde dort am Wochenende jeweils statt, ein wahrhaftiges Grillfest, und darauf bin ich natürlich gespannt.

Unterwegs wurde mir von Einheimischen beschrieben, dass sich an der Strasse ein Grillplatz befinde, wo man sich aus einem Kühler bedienen kann. Am Wochenende finde dort “una gara” statt. Leider bleibt mir das Erlebnis verwehrt, denn nach dem Abstieg kann ich mit einem Auto mitfahren, das mich bis zur Abzweigung nach Campo Imperatore mitnimmt. Diese Chance will ich nicht verpassen, und so verschiebe ich das Grillfest auf eine zukünftige Gelegenheit. An der Kreuzung halte ich den Daumen raus, und schon das erste Auto lässt mich mitfahren, und zwar nicht irgend eines! Gleich eine Dreierkolonne von identischen schnittigen Sportwagen hält an, und ich darf ins vorderste einsteigen. Es handelt sich um Werksteam eines deutschen Autoherstellers auf der Rückreise von einer Teststrecke. Über Nacht sollen die Fahrzeuge in der Höhenlage und Kälte von Campo Imperatore stehen, um herauszufinden, wie die Motoren am anderen Morgen laufen.

Ich bin auch gespannt darauf, wie mein Motor dann laufen wird. Die Muskeln fühlen sich immer noch gut durchgewalkt an, und ich hoffe, dass sie sich nicht noch verhärten. Mein Abendprogramm heisst Bar, Caffé, Kuchen, kochen, packen, schlafen und frieren, denn die Nacht ist sternenklar.


Hoi! Dein Interesse freut mich sehr, und ich würde mich ebenso sehr über einen kurzen Kommentar freuen. Ich investiere viel Zeit und Aufwand in diese Site und frage mich manchmal, ob die Inhalte überhaupt gelesen werden. Kommentare gebe ich manuell frei mit Angabe der Initialen (auf Wunsch auch anonym), und ich veröffentliche niemals Kontaktangaben. Diese ganze Site ist vollständig werbefrei, und es werden keinerlei Personendaten aufgezeichnet, die über das rein technisch Notwendige hinausgehen würde. — Danke fürs Vertrauen und viele schöne Touren! Stefan

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert