2023-04-18 Canigó, S/N-Überschreitung

Aufstieg auf den heiligen Berg der Katalanen von Süden und Abstieg über die verschneite Nordflanke zum Refuge des Cortalets (20km + 1700Hm – 1300Hm, meistens B1, kurze Stelle B2-).

Von der Cabane des Estables geht es kurz zurück zum Sattel und dann zur Krete hoch. Landschaft und Vegetation sind lieblich, und das Wetter hat sich deutlich gebessert, nachdem während der Nacht Wind und Niederschlag herübergeweht worden waren. Auf dem Pic des Sept Hommes erreiche ich erstmals eine grössere Höhe, und prompt verschlechtert sich das Wetter wieder. Ab dem Pic de Bassibès werden die Verhältnisse fast winterlich, und im Abstieg muss ein steiles Schneefeld umgangen werden. Das kann ja noch heiter werden!

Die Verhältnisse in den nördlich ausgerichteten Flanken sind vermutlich noch einmal ein Stück winterlicher, und so verzichte ich auf die anspruchsvollere Überschreitung des Puig dels Tres Vents (dessen Name auf Französisch vermutlich fälschlicherweise mit Treize Vents wiedergegeben wird). Stattdessen steige ich auf einem steilen Pfad zu den Gorgs de Cady hinab. Die liebliche Mulde ist noch gut eingeschneit, und glücklicherweise trägt die Schneedecke noch gut.

Unten zieht der Weg zur Südflanke des Cangio hinüber, wo ein gut angelegter Aufstieg bis fast zur Portaille de Valmanya hochführt, bevor man zur Cheminée hochsteigt. Diese breite Rinne verengt und steilt sich nach oben hin auf und verlangt zuoberst einige Kraxelschritte, bevor man den „heiligen“ Berg der Katalanen erklommen hat. Auf dem Gipfel befindet sich eine eindrückliche Darstellung der Aussicht. Für heute lässt sie sich sehr einfach zusammenfassen, denn ich stehe vollständig im Nebel.

Demzufolge mache ich mich sogleich auf den Abstieg, der über die verschneite Nordflanke hinunter und dann auf den Nordgrat hinüberführt. Der Weg ist gut mit Schnee befrachtet, jedoch fast nirgendwo eisig; zudem hat es eine Aufstiegsspur von zwei Leuten mit Steigeisen. Weiter unten gilt es allerdings, ein steiles Schneefeld zu überqueren, wo ein Ausrutscher ungute Konsequenzen hätte. Mit einem behelfsmässigen Pickel schlage ich Stufen und kann diese Stelle sicher überwinden. Danach endet der Schnee bald, und ich düse der Hütte entgegen. Bei der ersten Pause auf dem Pic Joffre bemerke ich das Fehlen meiner Mütze und keuche nochmals hoch, um das verlorene Teil zu suchen, was mir 250 zusätzliche Höhenmeter einbringt. Glücklicherweise habe ich genügend Zeit, und das Wetter hält sich!

In der Ostflanke des Pic Joffre liegt noch erstaunlich viel aufgeweichter Schnee. Beim See jedoch herrscht purer Frühling, und ich erreiche bald die Hütte und quartiere mich im Winterraum ein, nicht ohne zuerst einmal Ordnung zu machen. Offenbar übernachten hier etwelche Leute, die sich vor allem um ihr eigenes Wohl sorgen und denen die anderen egal sind. Abfälle werden selbstverständlich nicht wieder mitgenommen, unvorstellbare Idee! Auch wenn sie nicht mehr Platz im Rucksack, jedoch sicher weniger Gewicht beanspruchen, lässt man sie einfach stehen. Dass man bis knapp unter die Hütte mit dem Auto fahren kann, vereinfacht die Sache natürlich auch nicht. Der Zufall will es, dass am darauffolgenden Tag ein Bericht in der Lokalzeitung L’Independant diese Zustände anklagt — ganz zurecht.

Die Umgebung ist lieblich, und man merkt ihr die starke Frequentierung derzeit nur dadurch an, dass sich fast nirgendwo noch Brennholz finden lässt. Der Ofen qualmt am Anfang recht scheusslich, insbesondere bei verflechteten Ästen. Erst als ich auf Föhrenzapfen umsteige, lässt es sich bei geschlossenen Fenstern heizen. Kalt ist es ja glücklicherweise nicht, und die Stube wärmt sich langsam auf. Wasser gibt es voneiner Quelle, und mein stilles Glück ist ziemlich perfekt.

Ich hätte die Stille noch mehr geniessen sollen! Kurz vor Sonnenuntergang kommt ein Ehepaar auf der Hütte, überglücklich angesichts der überstandenen Schwierigkeiten — auf dem Hüttenweg. Sie sind durchaus angenehm, und offerieren mir sogar einen Schluck Ihres — offenbar obligatorischen — Weins. Daneben ebbt die Verständigung bald ab. Ich weiss nicht, woran es liegt, dass ich Franzosen oftmals als arrogant empfinde. Vermutlich gibt es ein umgekehrtes Gefühl, gemäss welchem ich abweisend auf Franzosen wirke. Vielleicht nehmen wir uns alle jedoch viel zu ernst.


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