2020-08-23 Rophaienkette

Bähnlifahren von Anfang bis Schluss an einem untypischen Spätsommertag im Abenteuerland Zentralschweiz. 20km+2’000Hm-3’000Hm, Belaufbarkeit auf den Wegen B1, sonst meistens B2-. Es braucht die Hände nirgends.

Am frühen Morgen hängen noch tiefe Restwolken am Himmel, als ich in Sisikon aus dem Zug steige. Mehr als 1600Hm über mir prangt das immense Gipfelkreuz des Rophaien. Die ersten 400Hm davon will ich mir mit dem Seilbähnli übers Buggital schenken. Vorerst geht es jedoch einmal 500Hm steil hoch, bis ich an der Talstation stehe. Die Gondel überwindet gut einen ganzen Kilometer Horizontaldistanz — und zwar ohne Zwischenmast! Schon kurz nach dem Start schwebt man 200m über dem Grund, selbstverständlich in einer Cabriokabine, sodass man die Baumwipfel von oben bewundern kann. Tatsächlich, Fibonacci-Spiralen existieren!

Fibonacci-Spiralen gibt es nicht nur bei Sonnenblumen oder Broccoli, sondern auch bei (Nadel-)Bäumen. Nur sieht man sie selten von oben.

Der Tag hat schon einmal spektakulär begonnen! Von der Buggialp geht es kurz über die Weide hoch und durch den Wald zur Gratkante hinaus. Dort betritt man das steile Wildheuergelände in der Rophaien/Diepen-Kette. Zum Rophaien hoch folgt man zunächst einem ausgesetzten Pfad, bevor es steil zum Westgrat auf den Gipfel hochgeht. Aus der Nähe ist das Gipfelkreuz etwa gleich eindrücklich gross, wie man es sich vorstellt, wenn man aus der Reussebene hinaufschaut.

Ab da will ich so gut wie möglich dem Gratverlauf folgen, und fürs Erste geht das recht einfach. Der Abstieg führt anfänglich recht hinunter, darunter jedoch folgt man der Gratkante praktisch horizontal über rund einen Kilometer. Vor dem Aufstieg zum Diepen steige ich zum kleinen Tümpelchen in der Nordflanke hinab, um Wasser nachzufüllen. Es ist zwar immer noch leicht bedeckt, aber die Augustwärme beginnt durchzudrücken.

Der Diepen ist ein wunderlicher Gipfel. Seine gleichmässig geformte Nordwestflanke lädt zur Besteigung ein, und die Steilheit lässt auch keine Langeweile aufkommen. Trotzdem scheint ausser einigen Schafen niemand sich für diesen Gipfel zu interessieren. Angesichts der Feuchtigkeit entscheide ich mich gegen einen Abstieg entlang des Südostgrats und umrunde stattdessen den kegelförmigen Stock auf seiner Nordseite. Der Himmel zeigt nach wie vor ein abweisendes Antlitz, als ich mich den Alpgebäuden auf Schön Chulm nähere. Zu meiner Freude stehen Kaffee und Kuchen im Angebot, denen ich gerne zuspreche, denn ich bin doch schon einige Stunden unterwegs.

Obwohl ich das Gebiet recht gut kenne, habe ich mich nicht ganz festlegen können, welchen Weg ich genau einschlagen soll. Es gibt etliche Möglichkeiten und auch einige offene Fragen. So will ich die Dinge einfach auf mich zukommen lassen, als ich zum Hagelstock hinüber trotte. Erstes Fragezeichen ist der Spilauer Stock, dessen Westseite im Hagelstöckli einen recht zerklüfteten Eindruck macht. Unklar ist, ob auf der gegenüberliegenden Seite ein Abstieg entlang des Ostgrats möglich ist. Der Gipfelaufbau lässt sich von Norden über einen gut begehbaren Weg entlang von Bändern ersteigen. Da sich das Wetter immer noch nicht gebessert hat, verzichte ich auf Experimente und steige auf demselben Weg zurück.

Auf ungefähr 2000m wende ich mich nach Osten und quere in die Mulde hinüber, welche zum Spilauer Grätli hochzieht. Von dort geht es unbeschwert zum Chinzig Chulm hinüber, und ungefähr ab da erinnert sich das Wetter an die herrschende Jahreszeit und seine damit verbundene Aufgabe. Die Sonne beginnt jetzt ernsthaft, die Wolkenfetzen zu verjagen und strahlt zusehends von einem blauen Himmel. Mittlerweile ist es deutlich Nachmittag geworden, und deshalb beschliesse ich, langsam den Heimweg anzutreten.

Stets die Höhe haltend, folge ich dem Wandfuss der langgezogenen Kette am Klettersteig Fruttstäge vorbei und über zwei Eggen hinweg zur Alp Gand. Über das Pässchen beim Fläschseeli leitet gelange ich ins Gruontal und zur Alp auf ungefähr 1500m. Von dort aus folge ich dem Wildheuerweg, der sich durch die Südflanke des Rophaien zieht. Eine herrliche Spur zieht auf der Flanke zwischen den steilen Felsbändern durch bis hinüber zum Franzen.

Prächtig liegt der Urnersee im sommerlichen Nachmittagslicht da und lockt zum Bade. Zuerst steht jedoch als letztes Zückerchen noch der Abstieg über den Franzenstock an. Auf steilen Pfaden schlängelt sich eine schmale Spur zwischen den Felsen im Bergwald durch. Darunter gelangt man schnurstracks dem Gratrücken folgend schliesslich zu den Gehöften bei Giebel. Aus lauter Spass an der Freude steige ich ins Wiesenbähnlein und schwebe die letzten 250Hm knapp über den Matten hinunter. Von dort ist es nicht mehr weit zum Bahnhof Flüelen gleich am See. Ein letztes kurzes Footing bringt mich zu den Lorelei-Inseln, wo ich bei einem erquickenden Bad direkt zum Rophaiengipfel gut 1600Hm über mir hochblicke. Und selbstverständlich schaukeln mich die SBB danach mit gewohntem Komfort gemütlich nach Hause.


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