Herbstende nach dem Wintereinbruch, und zwischen diesen beiden Extremen ist die Tour auch angesiedelt: Nicht mehr besonders viel Schnee und schmelzharsch bis ca. 1800, danach recht gut eingeschneit, oben aber ein Hindernislauf im grobblockigen Geröll, und im Gipfelhang weiss man nicht recht, was weniger geeignet ist, Fussaufstieg oder mit Skiern. Trotzdem wird es dank einer sehr schönen Abfahrt ein Prachtstag. Der Winter ist eingeläutet, nun soll er auch bleiben!
Gar nicht so grimmig kalt wie die angekündigten -12° ist es am frühen Morgen in Hospental. Dazu trägt auch die Saunatemperatur im kleinen Wartesaal der MGB bei, in dem ich mich bereitmache. Der Aufstieg entlang der verwaisten Skianlagen macht mich jedesmal wehmütig. Das kleine und feine Skigebiet hatte viel mehr Charme als der grosse Nachbar im Osten. Im Jahr 2009 stand es auf Ricardo zum Verkauf, und man hätte ein kleines Vermögen damit machen können — hätte man denn vorher schon ein so grosses wie etwa Samih Sawiris gehabt.
Tempi passati! Auch mit aller Vorstellungskraft gelingt es mir nicht, den Skilift in Betrieb zu nehmen, und so steige ich im Angesicht des Müeterlishorns allein auf weiter Flur der alten Skilifttrasse nach. Ab dessen Ende wären vielleicht Schneeschuhe die beste Wahl, denn die Schneedecke füllt die Lücken zwischen den mächtigen Blöcke nur zum Teil. Der Aufstieg zum Gipfel wird im selben Mass spannender, wie die Spuranlage kreativer wird. Zu Fuss geht auch nicht, aber immerhin ist Schneedecke extrem gut stabilisiert und zeigt nicht die geringsten Anzeichen von Auslösebereitschaft, auch nicht im extrem steilen Gelände mit Triebschnee. Zudem ist mir angenehm warm, denn es weht kaum ein Lüftchen.
Am besten wäre es vielleicht gewesen, den Gipfel zu umgehen, anstatt ihn zu überschreiten, aber wie die Schneeverhältnisse auf der Südseite sind, lässt sich, im Gegensatz zum Direktaufstieg, nicht abschätzen. Auf dem Gipfel erwartet eine überwältigende Rundumsicht und fies verschneites Blockgelände. Mehrmals breche ich beim Abstieg unvermittelt bis zur Hüfte ein, und ich kann nur froh sein, dass niemals das Knie an einem verborgenen Haifischzahn aufschlägt. Die sonnenbeschienene Südflanke ist weiter unten recht aper, und bald habe ich den Fuss des SW-Grats erreicht.
Eigentlich hatte ich mir ausgemalt, dem Grat weiter Richtung Süden zu folgen, aber der Blick ins Gelände zeigte deutlich, dass die Sache mit dem Blockhindernislauf weitergehen würde, und ein Blick auf die Uhr zeigt mir ebenso deutlich, dass ich heute nicht weit kommen würde. Also Planänderung! Eine kurze Traverse im T-Shirt bringt mich zum Kessel von Orsino, wo ich eine Siesta in der Sonne halte. Danach geht es auf durchwegs gutem Schnee beschwingt zur Sustenegg hinunter und von dort in beschaulichem Tempo im Sonnenschein über vier Kilometer der Gotthardstrasse entlang. Im Schatten liegt der Schnee bis unten, sodass ich in Bernhard Russi-Manier gegens Bahnhöflein hinunter preschen kann. Trotzdem verpasse ich den Zug um zwei Minuten. Zum Glück nimmt mich ein Urner Paar (herzlichen Dank!) zurück nach Erstfeld, wo sich der zähe Nebel inzwischen auch aufgelöst hat.
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