Schon lange hatte ich auf diese Tour im Auge gehabt, und ich war auch schon einmal wegen unerwartet viel Schnee daran gescheitert. Die Überschreitung von E(-rstfeld) nach E(-ngelberg) ist in meinen Augen die schönste Art, den Schlossberg im Sommer zu besteigen. Der Aufstieg verläuft zunächst über die fruchtbaren Sonnenhänge des Erstfeldertals, bevor ein anregender Aufstieg zur Älplilücke folgt. Ab dort warten rund drei Kilometer Felsgrat im Abenteuergelände ohne grössere Schwierigkeiten. Zwischen Gipfel und Spannorthütte liegen dann 1200 Höhenmeter, davon rund tausend reines Schottergelände — lieber im Ab- als im Aufstieg! Die restlichen knapp 200 Höhenmeter kann man abseilend bewältigen, was zwar auch nicht schotterfrei geht, aber zum Abenteuergehalt beiträgt. Insgesamt kommen so gegen 25 km und 2300 Höhenmeter im Auf- sowie 1600 im Abstieg zusammen.
Von Hofstetten bei Erstfeld mit dem Bähnli* nach Wilerli und von dort durch den Wald zu den Hütten hinter dem Boggli-Horn. (* Das Bähnli fährt im Automatikbetrieb, und man kann via Twint bezahlen.) Ab ca. 1500 quert der Weg die Sonnenseite des Erstfeldertals und folgt dabei einer ockerfarbenen Gesteinsschicht; bei der Alp Matt macht er einen Schlenker von 100 Höhenmetern. Der Älpler offerierte mir einen Kaffee, den ich sehr dankbar annahm, denn die frühmorgendliche Anreise hatte trotz dem schnellen Tell-Busses ab Luzern fast zsei Stunden gedauert.
Bei Hoch Biel (1838) verlässt man den Weg, welcher weiter zur Kröntenhütte führen würde, und steigt im weiten Zickzack durch die steile Flanke des Älpli zur gleichnamigen Lücke hoch. Der Weg ist gut markiert, und es hat an mehreren Stellen Seile oder Kabel, welche vor allem bei Nässe oder Schnee vermutlich sehr willkommen sind. Der Schlusshang trägt seinen Namen Älpligriess zurecht, denn der Grund besteht aus feinem Kies.
Ab der Älplilücke hält man zur markanten Schulter hoch, über welche P. 2608 umgangen wird und man das grosse Firnfeld unter P. 2775 erreicht. Jenes wird nach oben hin zunehmend steiler, kann jedoch vollständig westlich umgangen werden, im oberen Teil in der Flanke hinter einem Rücken. Ab P. 2775 ist der Grat fast drei Kilometer lang und durch Zwischengipfel und -sättel gegliedert. Man folgt mehr oder weniger der Kante bis zum Vorder Schloss; ab und zu hat es schwache Wegspuren. Auch der Abstieg in den Sattel 2850 erfolgt in der Nähe der Gratscheide.
Ein “ghudleter” Zacken wird unschwierig an seinem Fuss umgangen, ehe man durchs Geröll wieder zum eigentlichen Grat aufsteigt. Irgendwo hat es zwei kurze Kletterstellen (I-II), aber die eigentliche Schlüsselstelle ist der Aufstieg zu P. 2931 durch eine kaminartige Verschneidung (III). Keile könnten vermutlich eingesetzt werden, und oben ist eine Schlinge vorhanden. Der Weiterweg zum Hinter Schloss (3133) zieht sich noch, bereitet aber keine weiteren Schwierigkeiten mehr.
Der sagenhafte Wetterbericht versprach einen wunderbaren Sommertag am Rand eines Hochdruckgebiets mit leichter Nordströmung und strahlend blauem Himmel. Quellwolken über den Bergen zählen für mindestens 98% der Gebührenzahler nichts, und die übrigen 2% fragten sich wohl, ob die zunehmend tiefer hängenden Wolken etwa sogar noch Regen bringen würden. Also gab ich Gas beim Abstieg durch die weite Geröllflanke bis zum Ausstieg der S-Wand-Route bei P. 2790.
Für die Abseilerei hatte ich 30m Seil dabei; mindestens 25m sind sicher nötig. Die Kombination Rap Line, Nemo, Escaper und Loopo bewährte sich erneut perfekt — vor allem auch im Rucksack während des langen Aufstiegs! Neu dabei war mein neuer Scirocco-Helm von Petzl, und der war auch unbedingt notwendig! Überall liegt haufenweise Schotter, und beim Abziehen des Seils löst man unweigerlich Steinschlag aus. Die Stände sind jeweils geschützt und zudem perfekt eingerichtet. Bei einer Überschreitung ist man zu einer Tageszeit unterwegs, wo hoffentlich niemand mehr in der Wand ist. Die Route wird durch einen Quergang in der Mitte unterteilt, und bei einer Begehung verträgt es nur eine Seilschaft pro Abschnitt. Insbesondere beim Zustieg ist grosse Vorsicht geboten.
Der Abstieg zur Spannorthütte über die steilen Moränenhänge geht flott, und dort esse ich eine warme Suppe, bevor ich mich an den weit(-er-)en Abstieg nach Engelberg mache. Aufgrund der späten Tageszeit sieht es gar nicht nach Mitfahrgelegenheit aus, und umso mehr bin ich erfreut, als ich bei der Fürenalpbahn in ein Auto zusteigen darf. Und zum Schluss lasse ich mich von Zentralbahn und SBB nach Hause schaukeln.
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